"In der Luft liegt der Paprika" - Was Sie schon immer über den "Fliegermarsch" aus der Operette "Der fliegende Rittmeister" wissen wollten.

von Alice Waginger


  • Über den Komponisten Hermann Dostal
  • Zur Operette "Der fliegende Rittmeister"
  • Das Apollotheater in seiner Operettenära
  • Die Erfolgsgeschichte des "Fliegermarsches"
  • Unsere Bearbeitung der Operette

Wer ist Hermann Dostal?

Abb.1: Hermann Dostal, Zeichnung unbekannt (1)
Abb.1: Hermann Dostal, Zeichnung unbekannt (1)

Hermann Dostal wurde am 6. April 1874 in Strelitz, Bezirk Littau, Mähren (Střelice u Brna/CZ) als Sohn eines Militärmusikers geboren. Er studierte am Prager Konservatorium Violine und Harfe und begann seine Militärmusikerlaufbahn als Harfenist in der Regimentskapelle des Infanterieregiments Nr.94 in Olmütz. Er wechselte nach Wien zum Infanterieregiment Nr. 4 und erhielt die Erlaubnis, sein Harfenstudium bei Antonio Zamara fortzusetzen. Anschließend trat er in das Infanterieregiment Nr.26 ein und spielte unter Kapellmeister Franz Lehar, dessen Freund und Nachfolger er wurde.(2) Ab 1911 war er Mitglied des Infanterieregmiments Nr.67, 1918 wurde er kurzzeitig Kapellmeister beim Infanterieregiment Nr.99, mit dem er die letzte Wachablöse der k.u.k. Monarchie in der Hofburg zelebrierte.

 

 

Nach dem ersten Weltkrieg dirigierte Dostal mit einer eigenen Zivilkapelle ("Hermann Dostal Kapelle") die Nachmittagskonzerte in den Etablissements im Wiener Türkenschanzpark, im Wiener Stadtpark oder im Prater, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Später mit dem Aufkommen des öffentlichen Rundfunks, übernahm er die musikalische Leitung der nachmittäglichen Rundfunkkonzerte. Hier dirigierte er neben Oper, Operette und populärer Klassik auch immer wieder seine eigenen Kompositionen und Märsche.

 

 

Nicht nur Dostals Märsche, auch seine Operetten erfreuten sich einer großen Publikumsgunst. Sechs Stück sind bekannt, sein Erstlingswerk, der Einakter in zwei Bildern "Eine göttliche Nacht" wurde am 1.März 1910 im Etablissement „Hölle“ zusammen mit dem Einakter „Brüderlein fein“ von Leo Fall (ur)aufgeführt (3) und war schnell sehr erfolgreich. 1911 wurde er von der Sommeroperettenbühne „Venedig in Wien“ im Prater übernommen und die ganze Saison hindurch gespielt. Die darauffolgende Operette in drei Akten „Das geborgte Schloß“ wurde am 17.Mai 1911 im alten Leipziger Stadttheater uraufgeführt und war ebenfalls laut Kritik ein „lebhafter Erfolg“ (4), verschwand aber bald wieder und wurde in Wien nie aufgeführt. 1912 folgte die Operette „Der fliegende Rittmeister“, auf die weiter unten noch eingegangen werden soll. Bereits 1913 wird die Aufführung Operette „Nimm mich mit“ für die Saison 13/14 angekündigt (5), vermutlich aber aufgrund des Kriegsausbruches verschoben. Ein weiterer Aufführungsversuch in der Saison 1915/16 scheiterte an der Zensur, da das Libretto dem in Russland spielenden Roman „Meine offizielle Frau“ von Richard Savage folgt und von den Librettisten Heinrich Waldberg und Arthur Willner nicht bewilligt wurde.(6) So wurde „Nimm mich mit“ erst am 31.Mai 1919 im Theater an der Wien mit großem Erfolg uraufgeführt, als erste Premiere nach dem Weltkrieg, und mehr als 150 Mal gespielt.

 

 

Dostals letzte, noch während des Krieges aufgeführte Operette bzw, Singspiel in 3 Bildern war „Urschula“, am 1. September 1916 unter der Leitung des Komponisten im Apollotheater uraufgeführt.(7) Das „harmlos-lustige“ Libretto von Bela Jenbach und Julius Wilhelm und die schwungvolle Musik in tristen Zeiten verhalfen dem Werk zum vorprogrammierten Saisonerfolg und wurde bis 1925 in verschiedenen Produktionen aufgeführt. (8) Nicht aufgeführt wurde bisher die Operette „Graf Sandor oder Der Walzergraf“.

 

 

Am 20. Dezember 1930 verstarb Hermann Dostal plötzlich auf offener Straße, im 57 Lebensjahre stehend. Über sein Privatleben ist bekannt, dass er verheiratet, kinderlos und der Onkel des Operettenkomponisten Nico Dostal war. Nach ihm wurde 1955 die Dostalgasse im 13. Wiener Gemeindebezirk benannt.

 

 

Abb. 2: Gedicht auf Dostals Tod aus der humoristischen Wochenzeitschrift "Kikeriki" vom 1. Jänner 1931, S.2
Abb. 2: Gedicht auf Dostals Tod aus der humoristischen Wochenzeitschrift "Kikeriki" vom 1. Jänner 1931, S.2

Über die Operette „Der fliegende Rittmeister“

Abb.3: Das Wiener Apollotheater oder "Etablissement Apollo" in der Gumpendorferstraße (c)Wikimedia Commons
Abb.3: Das Wiener Apollotheater oder "Etablissement Apollo" in der Gumpendorferstraße (c)Wikimedia Commons

Am 5. Oktober 1912 fand im Wiener Apollotheater die Uraufführung der einaktigen Operette „Der fliegende Rittmeister“ statt. Das Libretto stammte von den bewährten Wiener Bühnenautoren Leo Stein (zB. „Wiener Blut“, „Die lustige Witwe“, „Der Graf von Luxenburg“) und Bela Jenbach (zB. „Paganini“, „Der Zarewitsch“). Beide arbeiteten später auch noch für die Libretti von „Die Csárdásfürstin“ (1915) oder „Die blaue Mazur“ (1920) zusammen.

 

 

Das Apollotheater war zwischen 1905 und 1925 das führende Varieté-Theater in Wien (erst 1929 wurde es zum Kino umfunktioniert). Das Programm wurde für gewöhnlich einmal im Monat gewechselt und bestand neben einem oder mehreren Operetten-Einaktern aus internationalen, reisenden Varieté-Künstlern, wie zB. Akrobaten, Zauberer, Tanztruppen, Bauchredner usw. Zusammen mit dem Rittmeister wurde auch ein Ballett „Scheherazade“ mit dem „Kaiserlich russischem Hofballett“, die Nummern „Pezeroffs mit ihren bekannten Jonglierszenen“, „Barat mit seinen unglaublichen Stuhlbalancen“ und die Sängerin „Mimi Marlow mit Schlagern ersten Ranges“ gegeben. (9) Der fliegende Rittmeister kam aber beim Publikum so gut an, dass die Spielzeit verlängert wurde und die Operette häufig auf dem Spielplan stand, sogar mehrere Neuinszenierungen bekam und auch außerhalb von Wien aufgeführt wurde. Die einzelnen Nummern starteten quasi Schlagersolokarrieren, denn der Wiener Musikverlag Doblinger verlegte jedes Lied separat. Die zentrale Nummer „Komm und sei mein Passagier“ bekam schnell den Eigennamen „Fliegermarsch“ und entwickelte sich zum Hauptschlager der Saison 1912/13, der Einzug in das Repertoire sämtlicher Tanzkapellen fand und bei jeder Gelegenheit gespielt wurde. Nach 1916 verlor die Operette an Zugkraft, sicherlich auch der politischen Umstände wegen.

Abb.4: Das Titelblatt der Doblinger Klavierausgabe des "Fliegermarsches" (c)operattee
Abb.4: Das Titelblatt der Doblinger Klavierausgabe des "Fliegermarsches" (c)operattee

Der „Fliegermarsch“ entwickelte allerdings ein Eigenleben. Auf Flugzeuge umgedeutet, anstelle wie im Original auf marode Zeppeline, gewann er ab 1924/25 wieder an Popularität – da durch das aufkommende Radio die Reichweite enorm gesteigert werden konnte und eine nationale Verbreitung überhaupt erst möglich war. Bis zu seinem Tod 1930 war Hermann Dostal mit seiner Kapelle oft selbst Urheber der Radioaufnahmen, aber auch andere Orchester und Ensembles in allen möglichen Besetzungen übernahmen das Stück. Besonders die Bearbeitungen für Militärblasmusik erfreu(t)en sich großer Beliebtheit.

 

 

In seiner ersten gedruckten Ausgabe für Klavier des Verlags Doblinger ist der Fliegermarsch dem k.k. Fliegerkorps gewidmet, welches 1912 noch sehr in den Kinderschuhen bzw. in einer experimentellen Phase steckte. Ein Rittmeister Johann (Hans) Umlauff von Frankwell trat hier öfters in Erscheinung, der waghalsige Manöver mit rudimentären Flugapparaten in der Gegend von Wiener Neustadt durchführte und öfters in den Schlagzeilen stand – er könnte als mögliche Vorlage für die Person des Miklos von Bököffy in der Operette gedient haben. (10) Man kann davon ausgehen, dass die satirische Aufarbeitung dieser Flugversuche in Form einer Operette vor 1914 für das zeitgenössische Publikum ein enormes komisches Potential darstellte, denn inhaltlich wurde sowohl das aufkeimende Flugwesen als auch das k.u.k. Militärwesen vorgeführt. Rittmeister Bököffy wird als liebenswerter, eine Gesellschaft unterhaltender Abenteurer und Phantast dargestellt, aber ist im Grunde genommen eine Witzfigur und kein kriegerischer Held. Daher ist es nicht verwunderlich, dass „der fliegende Rittmeister“ nach dem traumatisierenden ersten Weltkrieg einfach nicht mehr gespielt werden konnte.

 

 

Umso kurioser erscheint es, dass im Laufe der Zeit der „Fliegermarsch“ diesem ganzen Themenkomplex enthoben wurde und in den 30‘ und 40‘ger Jahren sogar musikalisches Markenzeichen diverser Fliegerkorps wurde – obwohl es noch etliche „Fliegermärsche“ anderer Komponisten gibt, die lange nicht an die Popularität des Dostalschen Fliegermarsches herankamen. Auch nach dem 2. Weltkrieg wurde er viel interpretiert, auf der Internetplattform „youtube“ finden sich etliche Aufnahmen mit Blasmusikkapellen oder mit Männerchören (diese Besetzungen wirken sich automatisch auf den Schwung und die Dynamik der Nummer aus und sind wesentlich behäbiger als das Original). Auf der Seite deutsche-lieder-online.de heißt es zum Beispiel über den „Fliegermarsch“: „Heute ist der Fliegermarsch bei der [deutschen] Bundeswehr dem Stab des Luftwaffenführungskommandos und dem Lufttransportgeschwader 62 als Truppenmarsch zugeteilt und gleichzeitig die „heimliche Hymne“ der gesamten Luftwaffe der Bundeswehr.“(11)

 

 

Über die Bearbeitung des fliegenden Rittmeisters für das Ensemble Oper@Tee

Da unserem Ensemble leider der Varieté-Komplex abgeht, wurde, um aus dem Einakter „Rittmeister“ eine abendfüllende, unterhaltsame Veranstaltung zu machen, die im Libretto oft zitierte Vorgeschichte des Stückes hergenommen und zu einem ersten Akt umgearbeitet. Dazu wurden Musiknummern aus den Dostal-Operetten „Nimm mich mit“ und „Eine glückliche Nacht“ entwendet, neu textiert und neu eingefügt. Der Eingangschor des Rittmeisters wurde zu einer Ouverture umfunktioniert, anstelle der Festgesellschaft wurde ein buffoneskes Dienerpaar installiert. Der Charakter der Verwechslungskomödie wurde beibehalten, ohne Chor ist es quasi eine Kammeroperette für sechs Personen geworden, die in Pandemie- und Inflationszeiten halbwegs leicht aufführbar ist. Die Bearbeitung stammt von Alice Waginger, die sich hier auch als Autorin dieses Blogs empfiehlt, sich für das Lesen bis hierher bedankt und auf thematische Anregungen und Kommentare von Ihrer Seite her hofft. :D

Literatur und Quellen:

 

(1) Illustrierte Kronenzeitung, 21.Dezember 1931, S.3

 

(2) Kleine Volkszeitung, 21.Dezember 1930, S.7

 

(3) Neue freie Presse, 3.März 1910, S 20

 

(4) Prager Tagblatt, 17. Mai 1911, S 9

 

(5) Teplitz-Schönauer Anzeiger, 13. August 1913, S 8

 

(6) Prager Tagblatt, 14.Juli 1916, S 7

 

(7) Der Humorist, 1.September 1916, S 2

 

(8) Floridsdorfer Zeitung, 14. Februar 1925, S 4

 

(9) Allgemeine Sportzeitung 1912, S 1430

 

(10) https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Umlauff_von_Frankwell, 16.10.2022, 18:44

 

(11) http://www.deutsche-lieder-online.de/fliegermarsch.html 20.10.2022

 

 

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hermann_Dostal#tab=Personendaten, 16.10.2022

https:///anno.onb.ac.at

https://www.anzenberger.info/militärkapellmeister-österreich-ungarns, 17.10.2022

 

 

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